Protokoll
Auf Basis der Kennzahlen des Zeitraums 2015 bis 2019 wurde zunächst seitens der Stadtplanung der Erfolg der angewandten Strategie aufgezeigt: Trotz Bevölkerungszuwachs von fast 16.000 Menschen habe in diesem Zeitraum die Verbauung und Versiegelung des Bodens praktisch nicht zugenommen.
DI B. Inninger weist in seinem Vortrag darauf hin, dass Bebauungsdichte und Wohnqualität nicht unmittelbar korrelieren, da weitere Einflussgrößen wie Grünraum, Immissionen, Infrastruktur und architektonische Gestaltung entscheidend sind. Insbesondere durch eine entsprechende Bebauungsplanung steuere die Stadt eine Dichteerhöhung mit gleichzeitiger Bedachtnahme auf die wohnqualitätssichernden Faktoren. Mittels Architekturwettbewerben, Beratungsleistungen und Begutachtungen fördere die Stadt auch die gestalterische Qualität von Neubauten. In der Hauptverantwortung verblieben jedoch die Bauherren selbst, so Inninger – schon deswegen, weil rechtlich nur die Einhaltung von Mindestanforderungen möglich sei.
Nur wenige Gebiete in Graz weisen gemäß Flächenwidmungsplan (Fläwi) ein hohes Dichtepotential (=zul. Bebauungsdichte gemäß Fläwi minus Istwert) von bis zu 1,8 auf. In den übrigen Gebieten, wie der Innenstadt, den Gründerzeitvierteln und dem Grüngürtel ist das Dichtepotential gering.
Durch Nutzung aller Dichtepotentiale könnten, so Inninger, bis zu 100.000 Menschen in Graz zusätzlich aufgenommen werden, ohne weiteren Boden versiegeln zu müssen.
DI H. Rosmann (Initiative für ein unverwechselbares Graz) sowie einige anwesende Expert:innen und Bürger:innen teilen die positive Bilanz nicht oder nur teilweise.
DI H. Rosmann verweist auf den hohen Grad an Leerstand, der mit den zahlreichen Neubauten weiter steigen würde. Es wird bezweifelt, dass das übertriebene Massieren von Kubaturen überhaupt Wohnqualität erlaubt. Es mangele insbesondere an Grünraum, Licht & Besonnung, Lärmschutz sowie oft auch an Infrastruktur. Im Steirischen Baugesetz komme der Begriff „Wohnqualität“ überhaupt nicht vor und die nachbarlichen Einspruchsrechte in Bauverfahren seien höchst unzureichend. Der bestehende Rechtsanspruch auf Ausnutzung der zulässigen Bebauungsdichte sei zudem äußerst problematisch.
Die anwesenden Bezirksvorsteher für Puntigam, Waltendorf und Eggenberg verweisen auf die Kompetenzen der Bezirksvorsteher - auch in der Rolle eines Sprachrohrs der Bevölkerung. Der tlw. bestehende Eindruck von Ohnmacht könnte durch eine bessere und frühere Einbindung der Bezirksvorsteher reduziert werden. Derzeit habe man als Bezirksvorsteher keinerlei Rechte im Bauverfahren und werde bei Planungen oft zu kurzfristig eingebunden.
Kritisiert wird eine überbordende Verdichtung durch Mega-Projekte, bei denen es oft an entsprechenden Begleitmaßnahmen hinsichtlich Infrastruktur und Verkehr und auch an gemeinschaftlich nutzbaren Allgemeinflächen fehle. Aktuelle Beispiele: Grenzgasse, Karlauer Straße, Fröhlichgasse, …
Obwohl Graz seit 2011 City of Design ist, vermisse man zeitgenössische Architekturmit besonderer Qualität. Es seien in erster Linie gesichtslose Neubauten und einfallslose Kubaturen entstanden, so eine Wortmeldung.
Das zentrale Ziel der Urbanität würde oft aus den Augen verloren, befindet ein Architekt. Man profitiere allein von der Geschichte und von dem, was in den letzten Jahrhunderten in Graz entstanden ist. Was hingegen in den letzten 50 Jahren gebaut wurde, sei eine Bankrotterklärung.
Seitens der Initiative für ein unverwechselbares Graz wird ein Innehalten und Nachdenken gefordert. Die Politik müsse analysieren, für wen und was gebaut werden soll. Der weitere Bevölkerungszuwachs sei gedämpft. Man müsse klären, welche Gesetzesänderungen und Instrumente benötigt werden, um zukünftig Monsterprojekte ohne ausreichende Wohnqualität zu verhindern. Auch seien mehr Veranstaltungen wie diese nötig, da nur im gemeinsamen Diskurs gute Lösungen entwickelt werden können.
DI B. Inninger gibt hinsichtlich dieser Anmerkungen das Feedback, dass man den Kritikpunkten tlw. gar nicht widersprechen könne. Die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen hätten nicht immer ausgereicht, um Mega-Projekte, die keine positiven Beispiele für Stadtentwicklung darstellen, zu verhindern. Daraus habe man gelernt und es gäbe immer Verbesserungspotentiale. Es sei aber in den letzten Jahrzenten auch gelungen, Bauqualität und Urbanität zu erzeugen. Positive Beispiele seien insbesondere die Schaffung der Innenstadt-Fußgängerzonen in den 70er Jahren oder auch einige Platzgestaltungen auf Basis von Architekturwettbewerben. Aktuelle Beispiele seien die Schaffung von Fußgänger- und Begegnungszonen u.a. in der Neutorgasse.
Zum Leerstand gäbe es derzeit leider keine gesicherten Zahlen. Rechtlich umsetzbare Leerstandsabgaben seien aber in einer wohl kaum wirksamen Größenordnung.
Das Regelwerk für den Baumschutz sei inzwischen deutlich nachgeschärft.
Am Ende der Veranstaltung war der Eindruck, dass dies eher der Beginn als der Abschluss einer Diskussion gewesen ist. Über ein Follow-Up und geeignete Folgeveranstaltungen muss daher gemeinsam nachgedacht werden. Entsprechende Ideen und Vorschläge sind höchst willkommen. Die entsprechenden Kontakte sind auf dieser Website unter "Kontakt" zu finden.
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- Ausführliches Protokoll
- Präsentation von DI. B. Inninger